Das Thema „Glaube und Geschlecht“, zu dem die Evangelische und die Katholische Fakultät am Dienstag, den 27.05.2025, eingeladen hatten, fand breites Interesse bei Studierenden, Lehrenden und Gästen. Die Vorbereitung lag bei der Katholisch-Theologischen Fakultät, in deren Namen Dekan Prof. Dr. Konrad Huber die Veranstaltung eröffnete. Die Moderation des Nachmittags übernahm Prof. Dr. Stephan Goertz, der das Thema programmatisch einführte: „Glaube ist nicht geschlechtslos. Religion ist nicht geschlechtslos.“ So habe jede Tradition sich über diese Relation Rechenschaft zu geben.
Dem widmete sich das Hauptreferat von Frau Prof. Dr. Saskia Wendel, Fundamentaltheologin an der Katholisch-Theologischen Fakultät Tübingen, unter der Überschrift „Glaube und Geschlecht. Ein politisch prekäres Verhältnis“. Sie führte ausgehend von aktuellen politischen Entwicklungen im In- und Ausland die Brisanz des Themas vor Augen. Es finde eine „tektonische Verschiebung“ statt. „Geschlecht ist alles andere als nebensächlich“. Dabei werden religiöse Narrative begründend gegen veränderte Verständnisse von Geschlechtsidentität und gegen Geschlechtergerechtigkeit herangezogen. In einem ersten Durchgang ging Wendel auf wesentliche Aspekte katholischen lehramtlichen Denkens ein, die es zu kennen gelte: die substanzontologische Grundlage der Anthropologie; die Betonung von Schöpfungsordnung und Schöpferwille Gottes als Autoritätsargument; die These von der Komplementarität der Geschlechter und die Verbindung von Anthropologie und Ethik, mit der aus dem Sein das Sollen „secundum naturam vivere“ abgeleitet werde. Damit diese Argumentationskette in politisch prekärer Weise nicht hegemonial genutzt werde, sei es Aufgabe von Theolog*innen eine christliche Anthropologie zu entwickeln, die auf dem Einstehen für Menschenrechte und Personwürde beruhe. Hier sei neben Kants Kritik an der Ontologie an existenzphilosophische Ansätze anzuknüpfen, die von der essentialistischen Geschlechteranthropologie Abstand nehmen. Vielmehr sei von selbstbewusstem Dasein als Subjekt und Person in der jeweiligen Einmaligkeit als konkret verkörperte Existenz mental und körperlich auszugehen. Person sei als Relationsbegriff zu verstehen, was sich in Freiheit und in Verantwortung gegenüber anderen Subjekten aktualisiert. Im Blick auf Sex zeichne den Menschen sein „Begehrensvermögen“ aus, das es im Respekt vor der Gleichheit der in Beziehung tretenden Personen zu verwirklichen gelte. Moralität sei beziehungsethisch zu begründen und sich verfehlen in Beziehung sei sehr wohl möglich. Theologisch gelte es, von Gottes Willen als Ermöglichung der Freiheit zu sprechen. Auch wäre an die mystische Tradition anzuknüpfen, die betont „Gott hat Begehren“.
In vier Workshops wurde das Thema des Tages weiter entfaltet: „Forscherinnen und ihre Faszination für Eva und ihren Griff nach der Erkenntnis: Von der (un)gleichen Sünde Evas bis zur #feminine energy (Dorothea Erbele-Küster / Isabelle Vowinkel); Queeres Leben – anstößige Vielfalt. Denkanstöße für Theologie und Ethik (Jürgen Janik / Eric Tilch); Geschlechtervielfalt in der zweiten Schöpfungserzählung – didaktische Zugänge und Erfahrungen aus der Schulpraxis (Celine Klingel); Warum immer noch Gender? Bleibende Problemanzeigen in Dogmatik und Ethik (Christiane Nagel).
Abschließend gingen Prof. Dr. Saskia Wendel und PD Dr. Christiane Nagel (Marburg) im Podiumsgespräch der Frage nach, warum die Diskurse zum Thema oftmals mühsam und wenig erfolgreich seien und welche Wege diesbezüglich zu beschreiten seien.
Bericht: Jürgen Janik